Last-Minute-Mina


Fakten

  • Rizinusöl ist nicht so schlimm, wie gedacht
  • Manchmal geht es schneller, als man denkt
  • Wenn man beim Kinder kriegen keinen Plan B hat, ist es gut, eine Hebamme zu haben
  • Mina bleibt Mina
  • Mina war zu schnell für die Wassergeburt
  • Vermutlich war der Termin falsch berechnet
  • Im Krankenhaus machen sie einem Angst
  • Mina hat auf die Schicht der Lieblingshebamme gewartet
  • Mein erster Gedanke: Endlich bist Du da!
  • Mein zweiter Gedanke: Du bist so groß!
  • Mina kam laut schreiend zur Welt!
  • Nachwehen!!! Wollt ihr mich verarschen? Nach all dem Warten auf Geburtswehen!!
  • Die Hebamme sagt: Von Mina kann man fünf haben, sie ruht total in sich
  • Ich sage: Eine reicht mir, aber es stimmt, Mina chillt ihr Leben
  • Marlo hat riesige Hände
  • Marlo ist riesig
  • Marlo hat das Baby lieb
  • Marlo zeigt uns gerade, was dramatische Anfälle sind
  • Marlo und Mina – ihr macht mir das Herz groß und weit und himmelhoch!


Die Geburt

Das war so gewesen:

 

Wer den Blog verfolgt weiß, dass ich schon mehrmals dachte, es geht los, wegen den Vorwehen. Minas errechneter Termin war eigentlich der 26.04.2018. Da ihr Bruder jedoch 10 Tage früher kam und ich damals einen verkürzten Muttermund hatte, war ich dieses Mal auch wieder überzeugt, das Mina früher kommen würde. Außerdem konnte ich mir kaum vorstellen, diesen Schwangerschaftszustand noch länger auszuhalten. Gegen Ende wurde es schon sehr beschwerlich und ich glaube auch, mein Umfeld konnte es mit mir nicht mehr so gut aushalten.

Schon mehrere Wochen vor Minas Geburt bekam ich immer wieder regelmäßige Wehen. Allerdings wurden die nie stärker und verebbten dann nach ein paar Stunden wieder. Sie waren aber ausreichend, dass wir zweimal dachten, jetzt geht es wirklich los. Also machten wir jedes Mal die „Jetzt-geht’s-los“-Action. D.h., Moritz blieb von der Arbeit zuhause und wir telefonierten rum, um Marlo unterzubringen. Ich rief die Rufbereitschaft im Geburtshaus (GH) an und blieb mit den Hebammen den Tag über in Kontakt. Doch es war jedes Mal ein Fehlalarm und als der 26.03. dann verstrich und dann auch noch der 02.04., der ursprünglich errechnete Termin, war ich nicht nur frustriert sondern auch fassungslos. Mein Gefühl hatte mich getrügt. Bei Marlo war das ganz anders. Da war alles klarer. Da hatte ich immer das Gefühl, selbstbestimmt zu sein, was den Geburtsverlauf anging. Ich hatte zwar den verkürzten Muttermund, aber als es dann losging, wusste ich immer, in welcher Phase ich gerade bin und hatte auch das Gefühl, das beeinflussen zu können.

 

Mina hatte aber ihre eigenen Pläne und wir spekulierten Wochenlang, wie die wohl aussehen. Erst dachten wir, sie wartet Anouks Geburtstag ab, dann Anouks Hockeyturnier, dann vermuteten wir, sie will an Ostern kommen und so weiter.

 

Abgesehen davon, dass ich nicht mehr schwanger sein wollte, bekam ich langsam Panik, dass ich ins Krankenhaus (KH) müsste. Ab dem 15 Tag nach errechnetem Termin darf man aus versicherungstechnischen Gründen nicht mehr im GH entbinden und muss in KH. Dort leiten sie mit Wehentropf ein. Wollte ich noch weniger als den Rizinuscocktail, mit dem im GH eingeleitet wird. Deshalb vereinbarten wir dazu am 12 Tag nach Termin mit den Hebammen im GH, das wir mit Rizinus einleiten. Das war der Samstag, 06.04.2018. Dem Rizinusöl haftet ein seht schlechter Ruf an und ich hatte Horrorvorstellungen von den Auswirkungen. Erbrechen, Durchfall, starke Wehen, etc. Es sollte aber alles anders kommen. Der Cocktail wurde von der betreuenden Hebamme Sabrina in 3 Teile aufgeteilt. Um keinen Wehensturm auszulösen. Ich nahm die erste Portion am Vormittag, ging mit Moritz frühstücken und nichts passierte. Keine Darmkrämpfe, kein Durchfall, keine Übelkeit. Es passierte einfach überhaupt gar nichts. Als wäre ich immun. Ich nahm die zweite Portion mittags, hing mit Moritz im mediterranen Zimmer im GH ab und nichts passierte. Ich nahm die dritte Portion nachmittags, ging mit Moritz spazieren und nichts passierte und am Abend ging ich mit Moritz ohne Baby nach Hause. Ich war sehr enttäuscht. Ich wollte mein Baby endlich haben. Ich wollte ein Geburtshaus-Baby.

 

Sonntags versuchte ich dann, mich zu entspannen. Wir machten uns einen schönen Tag mit Marlo und Anouk. Gingen Eis essen, genossen die Sonne und bekamen kein Kind. Montags, 09.04., hatte ich dann den zweiten Termin für das Rizinusprogramm. Das Schöne war, an dem Tag hatte meine Lieblingshebamme Birgit Bereitschaft. Sie leitete auch bereits den Geburtsvorbereitungskurs für Mütter. Mina kannte ihre Stimme also schon. Ein gutes Zeichen, fand ich. Allerdings waren die letzten Wochen geprägt von guten Zeichen, und passiert war trotzdem nichts. Ich ging mit der Einstellung zum Termin, dass es auch okay wäre, wenn ich doch ins KH müsste. Um mir selber den Druck zu nehmen, falls es wieder nicht klappen sollte.

 

Birgit machte ein CTG, verabreichte mir Rizinuscocktail Nr.1 und die Hebammen-Schülerin Anita durfte an mir Moxen üben. Man stimuliert dabei den Körper mit einem glühenden Stäbchen. Also in meinem Fall hielt Anita das Stäbchen neben meinen rechten kleinen Zehen, da diese Region die Gebärmutter anregt. Ich ging mit Moritz frühstücken und nichts passierte. Ich bekam den zweiten Cocktail und Birgit schickte uns in die Klinik rüber, die ans GH Charlottenburg angeschlossen ist, um einen Fruchtwasser-Ultraschall zu machen. Der Ultraschall wurde von einer sehr jungen Ärztin gemacht. Alles war gut. Genug Fruchtwasser, super Plazenta, Herztöne einwandfrei. Trotzdem empfahl sie, im KH zu bleiben, weil ich 14 Tage über Termin war, um dort einzuleiten. Wir wollten das nicht. Deswegen mussten wir schriftlich bestätigen, dass wir gegen ärztlichen Rat das KH wieder verließen. Auf dem Wisch standen einige angsteinjagende Dinge. Was alles passieren kann. Und sie gaben uns gleich einen Termin für den nächsten Tag, um einzuleiten. Das fand ich ganz schön bedrängend. Birgit sagte, das machen die immer, man darf sich nicht beirren lassen. Haben wir nicht getan. Ich ging mit Moritz zurück ins GH und nahm den dritten Cocktail, weil immer noch nichts passierte. Auf dem CTG konnte man regelmäßige Wehen sehen. Sehr schwache Wehen. Ich konnte die auch spüren, wie ich sie schon seit Wochen immer wieder spürte. Birgit massierte mir den Bauch und später nochmal die Zehen. Dann ging sie wieder für eine Weile und außer den üblichen, schön regelmäßigen Vorwehen passierte wieder gar nichts. Ich sah mich um 15 Uhr schon wieder ohne Kind heimgehen. Am stressigsten an der ganzen kommt das Kind- kommt das Kind nicht-Geschichte war eigentlich, dass man für alle Eventualitäten, wann es wo losgehen könnte, immer mehrere Pläne für Marlo machen musste. Samstags übernachtete er zusammen mit Anouk bei Oma Bine. Am zweiten Termin verbrachte er den Tag erst bei der Tagesmutter und wurde danach von Anouk abgeholt, gefüttert und bespaßt. In den Wochen vorher stand immer eine Nachbarin und Josh für die Nachtwache bereit.

 

Da es so aussah, als würde Mina an dem Tag wieder nicht kommen, sagte Moritz bereits Anouk Bescheid, dass wir vermutlich gegen 17 Uhr zuhause seien. Wir wollten noch das letzte CTG und die vollen zwei Stunden nach Einnahme des Cocktails abwarten, weil er in diesem Zeitraum noch Wirkung zeigen kann. Gegen 15:30 Uhr machten wir das letzte CTG. Der Abstand der Wehen war kürzer, aber sie waren immer noch nicht stark. Birgit reichte das. Sie war überzeugt, dass dies bereits Geburtswehen waren. Sie wollte Wasser in die Wanne lassen. Ich glaubte das aber nicht. Dieses Ganze auf und ab der vorangegangenen Wochen machte mich misstrauisch und ich wollte erst ganz sicher sein. Birgit blieb entspannt, sagte, dann solle ich noch warten und Moritz sollte sie holen, wenn ich an Geburtswehen glaubte. Und was soll ich sagen, so gegen halb fünf ging es los. Da kam die erste Wehe, die sich endlich wie eine richtige Wehe anfühlte. Moritz holte Birgit, die Wasser in die Wanne laufen ließ, mit dem Hinweis, dass dies nun ca. 45 Minuten dauern würde, da die Wanne eben sehr groß ist.

 

Die Wehen, die kamen waren noch okay. Niemals kam ich auf die Idee, dass ich es nicht in die Wanne schaffen könnte, weil Mina nun in weniger als einer Dreiviertelstunde kommen sollte. Aber wie schon erwähnt, das ist ein Widderkopf. Die macht was sie will. Und wenn sie sich einmal was in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie es durch. Mein Darm entleerte sich und die Wehen wurden heftig. Ich versuchte sie im Stehen wegzuatmen, was ich sehr unangenehm fand. Stehend Wehen haben war mir nix. Also legte ich mich wieder seitlich aufs Bett. Die Wehen wurden plötzlich sehr viel stärker, was mich irgendwie überforderte. Ich war so froh, dass es endlich losging und dann aber irgendwie aufgeschmissen, weil ich auf dem Bett lag und nicht in der Wanne. Ich hatte mir keinen Plan B gemacht, für den Fall, das Wanne nicht klappt! Ich hatte das Gefühl, mich nicht richtig zwischen den Wehen entspannen zu können und während der Wehe nicht richtig atmen und loslassen zu können. Es war irgendwie nur anstrengend und schmerzhaft. Liegen wollte ich nicht mehr, wusste aber auch nicht was sonst tun, da die Wanne immer noch nicht bereit war. Birgit half mir und übernahm das Kommando. Sie fragte mich, ob ich es nicht mal im Vierfüßlerstand versuchen wollte und vielleicht mal aus der Hose raus wollte, damit ich nicht mehr „zurückhalten“ musste. Und was soll ich sagen, die Hose war aus, ich im Vierfüßler und die erste Presswehe kam. Die Position passte mir auch nicht, ich wollte in die Wanne, aber mir wurde in dem Moment klar, dass ich mir das abschminken konnte. Mina hatte mich mit ihrem ganzen Vorwehen-Drama so verunsichert, dass wir es schlicht und ergreifend nicht mehr zur Wassergeburt schafften. Die Schmerzen waren überwältigend. Ich schrie und heulte so sehr, wie ich mich selbst noch nie gehört hatte. Moritz meinte später, er war froh, dass es so schnell ging, weil er mich nicht mehr lange so sehen können hätte. Bzw. hören. Mit der zweiten Presswehe sprang die Fruchtblase, mit der dritten kam Minas Kopf und mit der vierten war sie da. Um 17:29 Uhr. Und sofort trat dieses wunderbare Phänomen auf, das man alles um sich herum vergisst. Da liegt nur diese blaue, glitschige und schrumpelige Person vor einem, laut schreiend und nackt und alles andere ist egal. Mein erster Gedanke war „Endlich bist du da!“ Ich glaube, das habe ich auch gesagt. Und als nächstes: “Du bist so groß!“ Das kam mir absurd vor. Ich streichelte sie und wollte sie warm halten und hab ihr gesagt, dass jetzt alles gut ist, und wir es geschafft hatten. Wie schon bei Marlo, weiß ich ab dann nicht mehr so genau, in welcher Reihenfolge der Rest geschah. Ich hielt Mina eine Weile und legte sie auch schon an, weil sie relativ schnell zu Suchen begann. Sie war noch voller Käseschmiere, was die Hebammen darin bestätigte, dass der Termin falsch berechnet sein musste. Auf der anderen Seite hatte sie sehr lange Fingernägel und Haare und war total kräftig.

 

Nach einer Weile holten wir die Plazenta, die auch nicht so aussah, als hätte ich Mina zwei Wochen übertragen. Ich ging Duschen, wurde genäht, kuschelte und stillte Mina. Die Hebammen kümmerten sich um alles, gratulierten uns, bestaunten das Baby. Sie gaben mir das Gefühl, das wir besonders waren und Mina einzigartig. Man kam nicht auf die Idee, dass sie das jeden Tag machen und der Zauber für sie verflogen war. Man konnte spüren, dass jede Geburt auch immer noch für sie faszinierend war und sie diesen Beruf genau deshalb machen. Für diesen Moment, wenn dieses winzige Wunder vor ihnen lag. Dafür bin ich unglaublich dankbar. So sollte jeder Mensch ins Leben starten.

 

Wir ruhten uns noch eine Weile aus, lagen zusammen auf dem Bett, Moritz Mina Madeleine, und waren einfach nur glücklich, heute ein Baby mitnehmen zu können. Die Hebammen halfen uns dann beim Anziehen, brachten uns zum Auto und verabschiedeten uns. Wir bedankten und nochmals und ich betonte nochmal, wie froh ich war, dass es noch Hebammen wie sie gab, die trotz aller Hindernisse und Hürden bereit waren, den Job zu machen. Sie bedankten sich bei uns und sagten, dass sie froh waren, dass es noch Eltern wie uns gab, die darauf Wert legten.

 

Und dann fuhr Moritz mit Mina und Madeleine nach Hause!