Woche 33-34


Fakten

  • Ich zerfalle nicht, meine Kräfte und Mineralien werden nur anders zugeteilt
  • War das beim ersten Mal auch schon so beschwerlich?
  • Alle sind erkältet
  • Letzte Zugfahrt im Schwangerschaftsmodus bewältigt
  • Kind 1 ist jetzt ein Puzzlekönig
  • Diese Anträge machen mich wahnsinnig
  • Unbeweglich und ungeduldig sein verträgt sich nicht so gut
  • Waschmaschine wieder kaputt
  • Manchmal erreicht man Tiefpunkte, aber man kann sich meistens darauf verlassen, dass sie temporär sind
  • Manchmal denke ich, dass größte Glück der Erde besteht darin, nicht zu besitzen was kaputt gehen kann oder worum man sich kümmern muss
  • Oft macht es mich glücklich und stolz, wenn ich mich erfolgreich um eine Sache gekümmert habe
  • Seid stolz auf das, was ihr erreicht habt und leistet
  • Sagt euren Mitmenschen öfter mal, dass ihr stolz auf sie seid
  • Vertraue mehr auf die anderen
  • Marlo hat unseren Wunsch-Kitaplatz bekommen!
  • Marlo weiß jetzt auch, wie man mit den Puppen Menschenjäger und Kannibale spielt
  • Jungs spielen anders als Mädchen
  • Wann mischt man sich beim Spielen der Kinder eigentlich ein?


Das Baby (heute wieder ohne Politik)

Ich komme gerade vom Geburtsvorbereitungskurs und mein Kopf ist voller Dinge und Gedanken. Generell ist mein Kopf in letzter Zeit voller Dinge, über die ich nachdenken muss. Was muss noch alles erledigt werden, wie sieht wohl das Leben nach der Geburt aus, schaffen wir das alles, was benötigen wir wirklich und was wird sich fügen?

 

In der Wochenmitte hatte ich einen echten Tiefpunkt. Körperlich habe ich mich schrecklich gefühlt. Am Dienstag bekam ich mehrere Fressattackten und Mittwoch zeigte sich dann, dass sich der Bauch und das Kind noch einmal mehr Platz nahmen. Ich hatte das Gefühl, meine Beine nicht mehr heben zu können. Alles tat weh, Schambein, Hüfte, Beine. Glücklicherweise hat sich jetzt wieder alles etwas gedehnt und entspannt. Ich brauche immer noch ewig, bis ich aus dem Bett raus komme und muss meine Beine von Hand hin und her schieben, aber das ist okay. Die paar Wochen halte ich das vollends aus. Ich bin oft müde, kann aber die Gedanken nicht so gut loslassen und mittags einfach schlafen. Aber ausruhen geht, ist ja auch was Wert.

 

Mina geht es gut. Sie bewegt sich viel, hat auch noch viel Platz und liegt mit dem Kopf nach unten. Marlo und Moritz waren diese Woche bei der Vorsorgeuntersuchung im Geburtshaus dabei und Marlo hat ganz aufmerksam zugeschaut, als mein Bauchumfang gemessen wurde und wir die Herztöne abgehört haben. Das fand ich sehr niedlich.

 

Und heute war eben wieder Geburtsvorbereitungskurs, wo wir Frauen größtenteils uns selbst überlassen wurden und darüber sprechen konnten, was wir für Erwartungen an unsere Partner und Familien haben, in der Wochenbettzeit. Und dabei habe ich festgestellt, dass ich wirklich jemand bin, der ganz gut Dinge einfordern kann, was wichtig ist. Für alle. Die Hebamme beschrieb es so: Wir Frauen wünschen uns immer einen Partner, der alles weiß, unsere Gedanken liest und alles von sich aus erledigt. Und die Partner wünschen sich insgeheim immer eine Liste, die sie abarbeiten können!

 

Ich bin selber nicht immer der einfühlsamste Mensch auf Erden und begreife oft in den alleroffensichtlichsten Momenten nicht, was mein Gegenüber eigentlich wirklich braucht. Deswegen verstehe ich das Gefühl mit der Liste. Heute habe ich wieder ganz deutlich gesehen, dass ich mit meinem Mann gesegnet bin. Vor allem dadurch, dass er jetzt bereits den Erfahrungsschatz von vier heranwachsenden Kindern im Hintergrund hat und auch immer voll mit in die Verantwortung gegangen ist. Und ich habe gelernt, dass es gut ist, etwas einzufordern. Z.b., kann man den Partner wecken, wenn Kind 1 in der Nacht weint. Es ist absurd, selbst zu versuchen, mit seinem Elefantenkörper aus dem Bett zu kommen, nur um dann im Zimmer vom kleinen Klops festzustellen, dass man ihn ja eh nicht tragen darf, weil er einfach viel zu schwer ist. Meistens will Klopsi aber in sein Bett im Schlafzimmer um da weiter zu schlafen. In den wenigen Fällen, wo Moritz nicht eh vor mir wach wird wecke ich ihn deshalb seit ein paar Wochen. Frauen in meinem Kurs stehen selber auf und versorgen die Kinder dann, ohne den Partner zu wecken, die alle einen gesegneten Schlaf zu haben scheinen oder sich vermutlich schlafend stellen. Sind dann aber frustriert, dass sie das selber machen müssen.

 

Beim Thema Wochenbett dann die nächste Erkenntnis: von 12 Frauen war ich die Einzige, die das mit Kind 1 wirklich durchgezogen hat. Ich habe zwei Wochen größtmögliche Bettruhe genossen, nicht gekocht, gewaschen oder geputzt. Nicht mal Marlo gewickelt. Alle anderen Frauen haben nach wenigen Tagen wieder viel zu viel getan und deswegen, unter anderem, unangenehme Nebenwirkungen erlitten. Zum Teil machen diese Frauen das, weil sie Hummeln im Po haben, zum anderen aber auch, weil sie denken, dass ihre Männer das nicht hinbekommen. Natürlich gibt es eintausend weitere Gründe und mit dem zweiten Kind wird es auch anders, aber aus dem, was ich in den letzten Jahren so gelernt habe und aus Gesprächen raus höre, ist das einer der allergrößten selbstgemachten Konflikte. Normalerweise denken Männer ja immer, sie können alles besser. Aber dann, wenn da so ein kleines hilfloses Kind daher kommt, das eigentlich ja erstmal nur mit wenigen Grundbedürfnissen zufrieden ist, schwindet das Selbstbewusstsein. Das wird genährt durch Frauen, die wirklich denken, sie können es besser. Klar, der Mann kann nicht Stillen und Frauen sind meistens belesener, was Kinderpflege usw. angeht, aber das muss überhaupt nicht heißen, dass wir das deswegen besser machen. Wir machen es einfach nur anders. Wir wissen alle, dass Männer und Frauen in so vielen Dingen verschieden sind. Natürlich betrifft das auch den Umgang mit den Kindern. Wenn uns das nicht klar ist und wir dem anderen dieses „Dinge anders machen“ nicht zugestehen können, dann kommt es zum Konflikt. Ich nehme mich da nicht raus. Keine Beziehung kommt auf Dauer ohne diese Konflikte aus, da bin ich sicher. Manchmal macht es mich wahnsinnig, zu beobachten, wie in meinen Augen umständlich was jemand anders macht. Und umgekehrt geht es meinen Mitmenschen mit mir sicherlich auch. Es kommt nur darauf an, wie wir damit umgehen. In den meisten Kinderangelegenheiten versuche ich auch nicht, mich einzumischen, weil ich gelernt habe, dass wir über unterschiedliche Wege dieselben Ziele erreichen. Wenn wir ganz unterschiedliche Ziele haben, reden wir meistens irgendwann darüber. Aber auch das führt manchmal dazu, dass wir uns damit abfinden müssen, unterschiedliche Vorstellungen zu haben. Und was dann? In der Frage bin ich kein Experte. Ich weiß es nicht. Teilweise ist es so, dass man Kompromisse eingehen muss. Dann muss man wahrscheinlich einfach immer wieder darüber sprechen. Und man muss sich gegenseitig vertrauen und in Ruhe lassen. Die meisten Menschen leben mittlerweile in Beziehungen und Familien, weil sie sich gegenseitig lieben. Und wir wollen geliebt werden. Also ist es am Ende wieder ganz einfach. Wir wollen das Beste füreinander und für unsere Kinder. Das ist prinzipiell immer eine gute Sache. Damit lässt sich arbeiten.

 

Ich bin etwas vom Thema abgekommen. Ursprünglich ging es darum, nicht zu warten, bis ein Hellseher alle Probleme löst. Man muss, wenn man weiß, was einem gut tut, Sachen einfordern, ohne das Gefühl zu bekommen, unverschämt zu sein. Ich bin dankbar dafür, wenn mir jemand sagt, dass er was braucht, auf das ich selber nicht gekommen bin. Wie immer, der Ton macht die Musik, ich treffe den leider auch nicht immer. Und wenn das eingeforderte doch zu groß ist oder im Moment nicht zu schaffen für den anderen, dann muss man darüber sprechen und nach anderen Lösungen suchen.

 

Wir sind heutzutage alle sehr zu Einzelgängern mutiert. Ich will auch immer alles alleine schaffen und machen. Man kommt aber an Punkte im Leben, da geht das einfach nicht. Der Satz "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen" kommt mir z.B. immer wieder in den Sinn. Früher war das Kinderbekommen natürlich viel Risikobehafteter und nicht so komfortabel. Dafür war es aber auch irgendwie präsenter. Frauen bekamen Kinder. Bei der Geburt waren andere Frauen da, die der Gebärenden halfen. Es gab Familiensysteme, die ineinander griffen. Das war bestimmt nicht bei allen so und ganz bestimmt war das auch nicht immer einfach, aber es war fester Bestandteil in Familien. Mehrgenerationenhäuser sind heutzutage eher unüblich und das hat durchaus seine berechtigten Gründe. Die Männer sind normalerweise bei der Geburt dabei uns unterstützen ihre Frau. Viele Kulturen und Nationen haben die ursprünglichen Familiensysteme dennoch beibehalten.

 

In meinem ersten Geburtsvorbereitungskurs sagte die Hebamme damals zu einer Frau mit türkischem Mann, dass sie sich um sie wegen der Wochenbettzeit keine Sorgen macht, weil da alle Tanten, Schwestern, Brüder, Onkels usw. vorbei kommen werden zum putzen, kochen, einkaufen, Möbel aufbauen, usw.

 

In Deutschland leben wir größtenteils von der Großfamilie getrennt und haben das Gefühl, wir bestehen nur aus dem Partner und unseren Kindern. Dass eine Familie aus Großeltern, Geschwistern, den Cousinen und Cousins, den Tanten und den Onkels besteht, das kommt vielen gar nicht in den Sinn. Mir persönlich ist das aber total wichtig. Nicht nur für Marlo, sondern auch für meine Räubertöchter. Große Familien sind unglaublich anstrengend aber auch ein wahrer Segen. Man kann sich so viele Lebensgeschichten aus nächster Nähe anschauen und voneinander lernen. Man weiß, dass es ganz unterschiedliche Formen von Zusammenleben gibt und dass sich Menschen in mancher Hinsicht total ändern können und in vielen Dingen aber auch gleich bleiben. Kleine Menschen saugen so viel auf. Viel Blödsinn, aber auch viel, dass ihnen später im Leben hilft. Sie lernen, dass der Oma manche Sachen total egal sind, die ihre Mutter in den Wahnsinn treiben. Sie lernen, dass sie selbst anderen Menschen etwas beibringen können und dass es in Ordnung ist, wenn sie anders sind. Sie lernen vielleicht auch, dass die einen mehr haben und die anderen weniger. Und das, ohne dass man es ihnen erzählen oder beibringen muss, einfach nur dadurch, dass sie es erleben dürfen! Man kann das vielleicht auch über einen starken Freundeskreis erreichen. Ich finde es auf jeden Fall wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass jede Begegnung, die unser Kind mit anderen Menschen hat, etwas ist, das es beeinflusst. Sowohl positiv als natürlich auch negativ. Wir müssen schon aufpassen, welchen Einflüssen wir unsere Kinder aussetzen. In meine Familie und Großfamilie habe ich großes Vertrauen. Ich bin mit ihnen allen aufgewachsen, weil meine Eltern das genauso gesehen haben. Ich weiß, wie toll diese Vielfalt ist und will dass meine Kinder nicht missen lassen.

 

Heute könnte ich irgendwie endlos weiterschreiben, aber ich fürchte, das wird dann zu viel auf einmal. Nur eine Sache möchte ich noch erwähnen, weil es zum Thema Vertrauen passt.

Im Moment habe ich noch die große Sorge, was wir mit Marlo machen, wenn meine Wehen anfangen. Was ist, wenn das nachts passiert, was wenn es in den Osterferien passiert, wenn alle weg sind? Alle Großeltern fallen aus verschiedenen Gründen als Backup aus. Ich hab gestern zu Moritz gesagt, dass er mir diese Sorge irgendwie nehmen muss. Er muss letztendlich dafür sorgen, dass das Kind zeitnah irgendwo unterkommt oder jemand her kommt, solange ich die Wehen weg atme. Er gibt zwar auch zu, noch keinen Plan dafür zu haben, sagte aber etwas sehr wichtiges, dass ich selber noch nicht so gesehen habe, nämlich: Ich vertraue da unserem Sohn! Tatsächlich überraschte mich diese Aussage. Aber, nach ein wenig hin und her überlegen, denke ich das auch. Marlo wird es schon schaffen, in eine ungewohnte Situation zu kommen. Er wird damit klar kommen, das er wach wird und nicht wir machen ihm Frühstück sondern vielleicht die Nachbarin, die er gut kennt oder Moritz Räubersohn Josh, den er liebt. Man kann ihm ganz viele Sachen erklären und er begreift viel mehr, als ich ihm oftmals zugestehe. Es gibt schon mehrere Personen, die wir angesprochen haben, die uns helfen möchten, die Marlo alle kennt und deswegen kann ich eigentlich aufhören mir Sorgen zu machen. Das versuche ich jetzt. Ich vertraue auf meine Kinder, meinen Mann, meine Familie, meine Freunde und auf mich selbst! Vielleicht muss man auch so weit gehen und darauf vertrauen, dass irgendetwas schief gehen wird, aber trotzdem alles gut wird.

 

Die kleine Mina wird das Licht der Welt erblicken, wie Milliarden Kinder vor ihr und dann werden alle anderen Dinge ohnehin erst einmal wieder nebensächlich sein. Und wir werden sie lieben und ihre Geschwister und ihre Großeltern und alle anderen in ihrer großen, riesigen Familie auch!


Kommentar schreiben

Kommentare: 0