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Da sind wir wieder!

Hallo. Da bin ich wieder. Marlo ist mittlerweile viereinhalb, Mina ist anderthalb. Mein letzter Eintrag ist fast ein Jahr alt. Ich habe gerade darüber nachgedacht, warum das so ist. Hatte ich wirklich nicht die Zeit, zu Schreiben oder war ich einfach faul? Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Und, kommt auch noch dazu, ich lasse mich gerne Ablenken. Und das noch nicht einmal von der Faulheit. Sondern vom Alltag. Vom Haushalt, vom Einkaufen, vom Dinge wieder in Stand setzen. Manchmal gibt es Tage, da wünschte ich, ich würde im Wald in einer Holzhütte leben. Ohne technische Geräte oder ähnliches, was kaputt gehen kann. Ohne Waschmaschine, Auto, Spülmaschine, Herd, Spielzeug und den ganzen Kram. Mit einem Holzofen und nem Waschzuber. Fertig. Verlockender Gedanke. Aber, dafür ist es jetzt zu spät. Hätte ich mir früher überlegen müssen. 

 

Moritz sagt, 2019 trauert er nicht hinterher. Das war ein anstrengendes Jahr. Mina kam zur Tagesmutter, ich habe wieder mit arbeiten angefangen, die kleinen Kinder waren und sind ständig krank, die großen Kinder sind in der Pubertät und haben ihre eigenen Probleme, durch die man sie mit durchboxen will, wir haben ein neues Auto gekauft, das im November vom Bus angefahren wurde und wäre das nicht genug, hat die Kinderärztin bei Mina auffällige Herztöne gehört. Die kleine Mina. Wenn man Mama ist, macht man sich ständig Sorgen. Geht Euch das auch so? Und den Papas? Sorgen sind fiktiv, dass hat mir die Hebamme mal gesagt, aber ich fürchte, das habe ich total verdrängt. 

 

Mina war lange Zeit ein totaler Sonnenschein. Die ruht in sich, kann sich ewig alleine Beschäftigen. Dann kommt sie manchmal an, holt sich Liebe ab, und tingelt dann wieder los. Moritz nennt sie manchmal Bruddel-Liese genannt. Sie läuft von Raum zu Raum, brabbelt vor sich hin, schleppt Dinge von A nach B, steckt Dinge irgendwohin, wo wir sie dann wochenlang nicht finden, klettert auf Stühle und sucht sich was zum spielen zusammen, guckt sich alles an, pobelt alles ab, räumt alles aus und ist zufrieden dabei. Wenn man ihr eine Frage stellt, egal welche, Antwortet sie meistens mit “Ja!”. Aber nicht so einem leisen, zarten Ja, wie es Mädchen in diesem Alter oft haben. Mina hat so eine kräftige Stimme, dass sie damit alle in Erstaunen versetzt. Man merkt, dass sie sich gegen eine laute Familie durchsetzen muss. Seit einer Weile rebelliert der kleine Sonnenschein auch gerne. Beim Anziehen, beim in Fahrradsitz sitzen, beim in die andere Richtung laufen, beim Frühstück, beim Windel wechseln und beim Zähne putzen. Sie hasst Zähneputzen und, obwohl wir das jeden Abend durchziehen, gibt sie nicht auf, sich dagegen zu wehren. Und zwar mit allem, was sie hat. Sie windet sich, schreit, versucht uns wegzudrücken, sich zu befreien, den Mund aufeinander zu pressen und das immer mit all ihrer Energie. Einschlafen war mit Mina leider schon immer nicht so einfach. Marlo hat man hingelegt und der hat geschlafen. Mina kann man nur mit Betreuung hinlegen und manchmal dauert das über eine Stunde, bis sie pennt. Nachts kommt sie auch fast immer ins Bett. Immerhin schläft sie da jetzt meistens weiter. Früher war sie auch oft dann einfach wach. Gestern habe ich zum ersten Mal versucht, sie ins Bett zu legen, Gute Nacht zu sagen und dann raus zu gehen. Puh. Mina kann einfach richtig lange durchhalten, die könnte auch bis Mitternacht wach sein. Der Versuch ist gescheitert. Mina hat gewonnen. Ich glaube, Mina kann in ihrem Leben alles gewinnen. Die ist furchtlos und abenteuerlustig. Sie weiß mittlerweile, dass sie sich gegen ihren Bruder wehren kann und der weiß mittlerweile, wie er Mina austrickst, wenn sie mal wieder genau das haben möchte, was er sich gerade genommen hat. Wir wissen mittlerweile, das nicht immer Marlo schuld ist, wenn einer von beiden heult. Die hauen und streiten sich - aber sie lieben sich auch. Passen aufeinander auf, helfen sich, spielen miteinander, kuscheln und halten sich an den Händen. Und die können beide so herrlichen Quatsch zusammen machen. Marlo stellt Mina immer irgendwelche Fragen, die sie halt immer mit “Ja” beantwortet. Sowas wie “Mina, willst du mich fressen?” “Ja!”. Oder “Mina, kannst Du fliegen?” “Ja!”. “Mina, bist du ein Monster?” “Joo!” Leider kennt sie seit ein paar Wochen auch das Wort Nein. Wenn ich sage “Mina, darf ich dich abknutschen?” Sagt sie manchmal noch ja, aber oft halt jetzt auch “Nein!”. “Mina, komm, wir gehen Zähne putzen!” “Nein!” und weg ist sie, davongerannt, mit ihrem kleinen Windelpopo. 

 

Minas Herz hatte ein Loch. Bzw. die Verbindung zwischen Herz und Lungenarterie. So wird man geboren. Also alle werden so geboren, weil diese Verbindung im Mutterleib unwichtig ist, bzw. dort sein muss, da die Lunge ja noch über die Nabelschnur mit Sauerstoff versorgt wird. Wenn die Kinder auf die Welt kommen wächst das zusammen. Ich glaube bei 5 oder 10 % aller Kinder passiert das nicht. Man kann damit alt werden. Solange die Kinder klein sind, macht ihnen das nichts aus. Aber sobald sie größer werden und das Herz mehr beansprucht wird, vergrößert sich die eine Herzkammer, weil sie immer alles doppelt pumpen muss und die Kondition lässt nach. Deswegen wurde uns empfohlen, den Eingriff so früh wie möglich durchzuführen, und das Loch zu verschließen. Das ist ein Routineeingriff. Trotzdem macht es einen emotional fertig. Du siehst deine kleine, furchtbar niedliche Tochter, und möchtest nicht, dass ihr jemand am Herz rumfummelt. Also nicht so medizinisch. Ich hatte furchtbare Angst, dass bei der Narkose etwas schief geht, dass bei dem Eingriff etwas schief geht, dass irgendetwas passiert, dass mir mein kleines Mädchen nimmt. 

Der Aufenthalt im Krankenhaus hat drei Tage gedauert. So war es auch vorausgeplant. Der Eingriff ist keine Operation, man macht einen kleinen Schnitt an der Leiste, geht mit einem Endoskop rein, setz ein Schirmchen an das Loch, zieht es auf, geht mit dem Endoskop wieder raus und ist fertig. Das Ganze hat nicht einmal eine Stunde gedauert, obwohl man den Eingriff zweimal machen musste, weil das erste Schirmchen zu klein war. Mina hatte keine Narkose, sie war nur sediert. Als wir sie wieder abholen durften, war sie schon wieder wach. Ich durfte sie vor dem Eingriff zum Einschlafen auf dem Arm halten. Das ging ziemlich schnell. Dann habe ich sie auf den Operationstisch gelegt und wir sind rausgegangen um Kaffee zu trinken. Ich glaube, das war das schwerste, was ich je machen musste. Die kleine Mina auf diesen Tisch legen und dann gehen. Moritz war natürlich dabei und wir haben es ganz gut geschafft, uns in dieser Stunde nicht verrückt zu machen. Wir waren Kaffee trinken und haben geplaudert. Die ärztliche Betreuung war bis dahin super, was einem natürlich hilft. Als der Anruf kam, dass wir Mina jetzt abholen können, saßen wir zwar schon wieder vor dem OP-Saal, aber ich war doch erstaunt, wie schnell es ging.

Mina hat das super gemacht. Sie war wach und hat die Krankenschwestern bespaßt. Der Aufenthalt im Krankenhaus war generell anstrengend, zum einen weil die Virchow Charité unterirdisch ausgestattet ist. In der Kinder-Herz-Abteilung, in der ja immer Eltern übernachten oder am Bett ihrer Kinder sitzen, gibt es alte Holzstühle auf denen man sitzen muss und keine Möglichkeit, sich zu seinem Kind dazu zu legen. Mina hatte drei Kabel, um ihre Herzwerte zu überprüfen auf der Brust kleben, sie hatte ein Kabel, das an den Zeh geklebt war, um ihre anderen Vitalwerte zu überprüfen, sie hatte eine Nadel in der Hand für die Infusion um ihr Blutverdünner und Antibiotika zu geben und ein Pulsmessgerät um ihr Beinchen. Deshalb hatte ich keine Möglichkeit, sie aus ihrem Bett zu nehmen und auf dem Arm zu halten. Das Bett war ein altertümlichen Stahlmonstrum, mit hochfahrbaren Gitterstäben, die einen Höllenlärm gemacht haben, wenn man sie verstellt hat. 

In den ersten 12 Stunden musste sie komplett liegenbleiben. Erstaunlicherweise hat sie das relativ unkompliziert hingenommen, obwohl sie direkt nach dem Eingriff schon wieder ziemlich fit war. Er fand vormittags statt und sie brachte es fertig, bis 22 Uhr wach zu bleiben. Der kleine Junge, 2 Jahre alt, der um 21 Uhr zu uns ins Zimmer kam, war vor Mina eingepennt. 

 

Die beiden Nächte auf dem Klappbett, mit piepsenden Geräten und Antibiotika-Ampullen, die um Mitternacht gewechselt werden mussten, oder Schläuchen, die entheddert werden oder neu angeschlossen werden mussten … ich will euch das ersparen. Ich war froh, als es vorbei war. Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, weinen zu müssen, erst vor Angst, dann vor Erleichterung. Musste ich aber nicht. Erst Tage später, als mein Bruder mich per WhatsApp fragte, wie es Mina jetzt geht. Da saß ich aufm Rewe-Parkplatz im Auto, die Kinder alle in der jeweiligen Betreuungseinrichtung, antwortete ihm, das alles gut ist und erst da wurde mir klar, es ist durchgestanden. Ich musste so sehr weinen, dass ich erstmal nicht aussteigen konnte, um einzukaufen. Es war vorbei und alles war gut gegangen. Und das wusste ich in diesem Moment und war unsagbar erleichtert.

 

Mina ist wieder geflickt. Und es geht ihr prima. Die ersten beiden Nachsorgetermine haben wir hinter uns, es ist alles gut. Ihr PDA-Verschluss, so nennt man das, sah bei der ersten Untersuchung so aus, als würde er etwas weiter als gewöhnlich “hineinragen”. Wohin genau, weiß ich nicht. Bei der zweiten Untersuchung hatte sie bereits mit dem behandelnden Arzt aus dem Virchow gesprochen gehabt und die haben sich nochmal die Röntgenbilder angesehen, Der Verschluss ragt nicht irgendwo rein, Minas Arterie macht da ne Biegung und deswegen sieht es nicht genauso aus wie bei den anderen. Weil selbst jedes Herz ist einzigartig. Wie ein Fingerabdruck.

 

Und was ist bei Marlo los? Marlo kämpft einen inneren Kampf mit sich selbst und anderen und keiner weiß warum, woher das kommt und wie man ihm helfen kann. Klar sind Jungs in dem Alter oft laut, stur, streitsüchtig und anstrengend. Aber Marlo ist es in so vielen Bereichen. Ich hatte ein Entwicklungsgespräch mit den Erzieherinnen. Er ist ein toller Junge. Er hilft Kleineren, er weiß wahnsinnig viel, ist spitzfindig, löst schwierige und komplexe Aufgaben, hat ein Feingefühl für Situationen und hat einen riesigen Gerechtigkeitssinn. Aber er hat auch Angst vor neuen Dingen, sträubt sich, Sachen auszuprobieren und vermittelt das Gefühl, als hätte er permanent Angst zu versagen. Wenn man ihn ermutigt, etwas zu machen, dann wird er wütend, er fühlt sich dann nicht mit seinen Sorgen ernst genommen. Es ist schwer, ihn aus so einer Kränkung wieder raus zu holen. Er bekommt Schreianfälle und haut. Er tobt manchmal solange, bis er vor erschöpfung umfällt. Es gibt im Moment kaum einen Morgen wo wir nicht streiten über Kleinigkeiten. Er will nichts alleine machen oder alleine sein. Man muss ihn permanent beschäftigen, läuft dann aber wieder Gefahr, mit ihm zu streiten, weil man irgendetwas nicht so macht, wie er sich das vorstellt. Die Erziehungsberatung konnte zwar Moritz und mir helfen, wieder ein bisschen besser und Gelassener mit der Situation umzugehen, aber wir konnten Marlo damit noch nicht helfen. Er kann so viel und hat so ein schönes Gespür für Besonderheiten. Es tut mir weh, zu sehen, wie er sich selbst im Weg steht und wie er sich seine eigene Freiheit nimmt, alles auszuprobieren, weil er ständig angst hat, zu scheitern. Und das, obwohl wir ihn loben und ihm sagen, das er so viele Sachen so toll macht. Weil wir nicht wissen, wo wir wie ansetzen müssen, hatten wir jetzt bereits 2 Termine bei einer Psychologin und einen  bei der Ergotherapie. Jetzt kommt noch ein Termin bei der Psychologin und dann Ende Januar eine Auswertung. Die Ergotherapeutin sagt dasselbe wie die Erzieherinnen. Marlo ist sehr ehrgeizig, akribisch und bleibt dran, wenn er sich erst einmal überwindet, etwas zu machen. Er benötigt für alles Anlauf und er ist total schnell frustriert und immer angespannt. Wie sagt man einem 4-jährigen, das das Quatsch ist? Das er toll ist und alles, was er noch nicht kann einfach noch lernen kann. Weil er erst 4 ist und noch so viel Zeit hat für alles!? Und wo kommt das überhaupt her? Da ist sie dann wieder, die Frage: Was habe ich falsch gemacht!? Und möglicherweise gar nichts, weil Marlo vielleicht eine Störung der Sinnesverarbeitung hat. Ich erhoffe mir ziemlich viel von den Test und der Diagnose und hoffe sehr, dass wir Marlo bald helfen können, mit seinen inneren Geistern umzugehen.

 

Nebenbei müssen wir uns noch andauernd von den Mietern unter uns terrorisieren lassen. Wenn es ihnen zu laut ist, auch außerhalb der offiziellen Ruhezeiten, klopfen sie gegen das Heizungsrohr. Neulich sind wir aufgestanden. Es gab um 7.30 Uhr erst Geschrei mit Mina, weil die sich nicht anziehen lassen wollte. Dann mit Marlo, weil er sich nicht alleine anziehen wollte. Konnte ich relativ zügig ausdiskutieren und Frieden schlichten. Dann waren wir in der Küche auf den Stühlen, haben gefrühstückt, sind ins Badezimmer, waschen und Zähne putzen. Dann haben wir im Kinderzimmer auf dem Teppich noch 5 Minuten Kätzchen gespielt. Marlo und Mina krabbeln dabei auf dem Boden rum und miauen, klettern ins Bett, das Körbchen, und schlafen, lassen sich von mir kraulen und füttern und das wars. Boom Boom. Klöngelt es an das Heizungsrohr. Wir spielen unbeiirt weiter, manchmal habe ich den Verdacht, donnern sie aus versehen dagegen. 30 Sec später wieder. Boom Boom. Dafür habe ich mittlerweile kein Verständnis mehr. Vor allem wissen die, das wir um spätestens 8:30 Uhr die Bude verlassen und nicht vor 16 Uhr wieder zuhause sind. Aber 5 Minuten Kätzchen spielen halten sie nicht aus. Und ich ärgere mich darüber, dass ich die Kinder ständig ausbremse. Sie dürfen nicht rennen, nicht mit Autos aufm Parkett fahren, keine Holzspielzeuge durch den Flur ziehen, nicht hüpfen und nicht schreien. Ich werde das jetzt aufgeben. Gerade habe ich einen Artikel gelesen, in der die Quintessenz lautet: Lieber Krach mit den Nachbarn als mit den eigenen Kindern!

 

Tatsächlich habe ich das jetzt ne Weile durchgezogen und ich habe das Gefühl, mir ist leichter ums Herz, weil ich die Kinder nicht dauernd ermahnen muss. Ich hasse erziehen. Ich lasse lieber wachsen. Ich weiß, für manche Situationen ist es notwendig, auch um den Kindern Halt zu geben, und gerade Marlo liebt Regeln und Vorgaben, aber Erziehungsmaßnahmen, die dem Kind gegenüber eigentlich nicht gerecht sind, versuche ich nun auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die Nachbarn haben es uns ohnehin nie gedankt.

 

So. Was ist bei mir los? Arbeit läuft. Ich dachte ja erst, ist mir zu anstrengend, immer hin und her pendeln, 2 Stunden am Tag unterwegs mit Fahrrad und Bahn, immer hetzen, aber … tatsächlich sind diese 2 Stunden Freiheit eigentlich herrlich. Ich höre Hörbücher, häkel, lese, spiele. Und keiner unterbricht mich. Keiner will was von mir. Keiner muss aufs Klo, will was essen, hat ein Aua, will spielen. Ich tauche unter in der Masse an Menschen, mach mich unsichtbar und habe Zeit für MICH! Deswegen, und auch weil mein Arbeitgeber mir einen super flexiblen Arbeitsplatz bietet, läuft es. Das Büro im Herzen Berlins ist toll. Die Kollegen werden auch immer toller, der Job an sich könnte spannender sein, aber ich bin erfolgreich in dem, was ich mache und ich werde ziemlich gut bezahlt dafür. Es macht mir Spaß, dort zu sein!

 

Aktuell habe ich gerade das Hörbuch “Untenrum frei” von Margatete Stokowski gehört. Die knallt ziemlich laut mit der Tür. Das finde ich gut. Ich hielt mich für emanzipiert und “befreit”. Ich wurde immer offen und gleichberechtigt erzogen. Dachte ich. Ist aber gar nicht so. Das weiß ich jetzt. Ich weiß auch, dass ich in meinem gesamten Freundeskreis die einzigste Frau bin, die am gleichberechtigsten lebt. Da bin ich mir ziemlich sicher. Mein Gehalt ist gerecht, mein Mann betreut die Kinder fast genauso viel wie ich. Fast, weil ich mich entschieden habe, am Freitag immer frei zu haben. Wenn ich gewollt hätte, hätte Moritz auch die Elternzeit halbiert. Und ich habe ein gesundes Selbstbewusstein, weswegen man mir selten einreden kann, dass ich irgendwas nicht genauso gut machen könnte, wie ein Mann. Aber die Welt da draußen und bestimmte Ecken in meinem Gehirn … Wow - wie 50er Jahre ist das denn? Wir haben echt noch viel zu tun. Das wusste ich schon. Dazu muss ich nicht mit Schwulen und Lesben sprechen, dazu muss ich nur meine Augen auf machen. Wir müssen endlich verstehen, dass jeder einzelne Mensch sowohl besonders und einzigartig ist, wie auch total gewöhnlich. Am Ende geht es immer um Liebe und geliebt werden. Um Anerkennung. That's all. Und manche lieben Frauen, manche Männer. Manche lieben Männer, die mal Frauen waren oder Frauen, die mal Männer waren. Manche lieben sich leise, manche lieben sich laut. Manche lieben sich in Glitzerstaub, manche in Latex und manche im Bett. Jeder liebt irgendwie und es gibt kein richtig oder falsch. Es gibt nur einen falschen Umgang mit Liebe und Angst und Vorurteile gegenüber Individuen. Es muss nicht jeder alles gut finden und keiner muss sich zu was zwingen lassen. In der Liebe sollte nie Zwang sein, wenn man es nicht liebt, gezwungen zu werden. Ich muss nicht verstehen, warum jemand einen Fetisch braucht. Das kann mir ganz egal sein. Aber niemand sollte jemals jemanden für seine Liebe verurteilen. Man sollte seinen Kindern beibringen, dass die Welt bunt ist und das man niemanden hänselt, nur weil er ein Junge ist und Röcke trägt. Frauen sind noch lange nicht befreit in unserer Welt und in sich selbst. Aber auch Männer unterliegen so vielen Zwängen, die völlig absurd sind. Alles normale, das auch anders sein kann ist absurd. Frauen tragen Hosen im Alltag, warum tragen Männer keine Kleider? Warum gibt es in der Jungsabteilung nur braune, dunkelblaue oder schwarze Schuhe? Warum sage ich meinem Sohn, er soll sich gegen die Glitzerschuhe aus der Mädchenabteilung entscheiden, die er viel besser findet als den ganzen farblosen Quatsch? 

 

Weil unsere Welt noch einen unfassbar weiten Weg zu gehen hat und ich mich davor scheue, diesen Kampf über meine Kinder zu führen. Weil ich weiß, wie hart es ist, klein zu sein und wegen seinen Klamotten ausgelacht zu werden. Weil ich weiß, wie es für ihn war, als er einen Tag lang einen rosa Rock im Kindergarten anhatte. Der traurigste Satz, den er je gesagt hat, war: Mama, ich will auch mal wieder einen Rock anziehen, aber nicht in den Kindergarten, da lachen die anderen mich aus! Und warum? Weil  es in den Kleiderabteilungen dieser Welt klar getrennte Welten gibt. Bullshit! Hör damit auf Welt und sagt euren Kindern: Jeder ist anders und jeder ist gleich und das ist, wie es ist!

 

Ihr Lieben, jeder ist einzigartig, wie ein Fingerabdruck. Jedes Herz schlägt seinen eigenen Rhythmus. Jeder Kopf hat seine eigenen Gedanken. Ich freue mich auf 2020. Das Jahr klingt nach BOOM BÄNG BOOM!

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